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Newsletter 2

100 Jahre – 100 Flatterulmen  

 

 

Interview mit Gerd Sprenker

 

Die Flatterulme ist 2019 von der Stiftung Baum zum Baum des Jahres ernannt worden. Die Flatterulme war auch der auserwählte Baum zum 100-jährigen Jubiläum des Heimatvereins Beckum. Der stellvertretende Vorsitzende Gerd Sprenker bestellte 100 Flatterulmen, die am 18. Januar 2020 im Stadtbusch und in einer Werseaue gepflanzt wurden. An der Aktion beteiligten sich 25 freiwillige Helfer – Männer, Frauen und Kinder, jüngere und ältere Menschen – ausgerüstet mit Spaten, Stiefeln, Handschuhen und guter Laune. Gerd Sprenker hatte schon einige Vorarbeiten geleistet und erklärte, dass die „Heister“, wie er die jungen etwa 1.70 m – 2.00 m hohen Bäumchen nannte, möglichst kreisförmig in Gruppen gesetzt werden sollten. Als die Heister dann im Boden steckten, wurden sie noch mit einem grünen Spiralband umwickelt, als Schutz vor Wildfraß.

 

Herr Sprenker, warum haben Sie die Flatterulme für die Pflanzaktion ausgewählt?

 

„Die Flatterulme ist ein Tiefwurzler und kann auch im trockenen Sommer noch ausreichend Feuchtigkeit aus dem Boden holen. Sie fühlt sich besonders wohl an Ufern von Gewässern oder in Auenwäldern, die auch schon mal überflutet werden können. Die Flatterulme wächst rasch und kann innerhalb von 50 Jahren bis zu 40 m hoch werden. Vom Ulmensterben durch den Ulmensplintkäfer ist der Baum kaum betroffen, da die Käfer die Rindeninhaltsstoffe eher meiden. Die Flatterulme trotzt dem Klimawandel und ist deshalb geeignet auch die nächsten hundert Jahre zu überstehen.“

 

Herr Sprenker, wie geht es den kleinen Flatterulmen, die wir vor 2 Jahren gepflanzt haben?

 

Die Heister haben sich gut entwickelt, sind alle angegangen. Bei einigen Pflanzen habe ich neue Schutzvorrichtungen angebracht, und zwar Pfähle mit Schutzgittern. Jetzt können die Rehböcke die Rinde nicht mehr abschälen und die Knospen nicht mehr verbeißen. In diesem Winter haben die Bäumchen genug Feuchtigkeit abbekommen, so dass ihnen eine eventuelle Trockenheit im Sommer nichts anhaben kann. Sie werden einen guten Schuss machen in diesem Jahr. Übrigens, auch in diesem Jahr werden wir zusammen mit den Landfrauen einen Baum pflanzen. Es wird eine Rotbuche sein, der Baum des Jahres 2022.“

 

Die Landwehr der Stadt Beckum

 

In der LWL-Reihe „Landwehren in Westfalen“ hat Cornelia Kneppe 2020 eine neue Publikation über unsere beliebte Beckumer Landwehr verfasst. „Wer in mittelalterlichen Zeiten von Süden in das Stadtgebiet von Beckum zu Fuß oder zu Pferd eindringen wollte, bekam ernste Schwierigkeiten bei dem Versuch, die Landwehr den Hang aufwärts zu überwinden. Nur wenige Landwehren in Westfalen sind geeignet, die Schutzfunktion dieser einfachen Wehranlage so zu veranschaulichen wie die Beckumer.“

 

Wer die Landwehr in diesem Frühjahr besucht, kann sehen, dass viele Gräben leider weiterhin mit Baumstämmen und abgeschnittenen Ästen gefüllt sind. Bleiben sie liegen, werden sie wohl in den nächsten Jahrzehnten verrotten und dadurch die Gräben leider mit weiterem Humus auffüllen. Das Bodendenkmal ist seit Jahrhunderten erhalten und bislang gut erkennbar geblieben. Einzelne abgestorbene Bäume konnten ihm nichts anhaben, aber diese relativ große Menge von Totholz wird es wohl „zudecken“.

 

2024 will die Stadt Beckum ihr 800-jähriges Bestehen feiern. Es ist ein guter Anlass, die Landwehr zu diesem Anlass herzurichten und damit Beckumern wie auch auswärtigen Besuchern diesen historischen Schatz in gut erkennbarer Weise wieder nahezubringen zu können. Einige Informationstafeln, vom Heimat- und Geschichtsverein mitfinanziert, könnten über unsere einzigartige mittelalterliche Schutzanlage Auskunft geben.

 

Ab und an erreichen uns im Vorstand des Heimatvereins spannende Anfragen, deren Beantwortung den eigenen Wissenshorizont maßgeblich erweitern kann. So erreichte uns die Anfrage von Lydia Kaatz nach dem folgenden Gedicht mit der Bitte um Hinweise zur Interpretation.         

Das Wappen von Beckum

In Rot drei silberne schrägfließende Ströme.


Ich lag und schlief,
In bärmefeuchten Erdteig eingebacken,
So gut und tief.
Und Wurzelschnüre schmückten meinen Nacken.

Ich lag und sann.
Mir bröckelte am Mund die braune Rinde.
Es schritt ein Mann
Und zog um meinen Stein die Pfeifenwinde.

Die Winde hier,
Ich sah sie dort in zugeklebten Lidern.
Sie rief nach mir
Mit leisem Blatt: ich konnte nichts erwidern.

Ich lag im Brot,
Und die es nährte, kamen, mich zu essen;
Denn ich war tot.
Das fiel mir ein; ich hatt' es längst vergessen.

Mein Augenpaar:
Gleich mürben, abgebrannten Kerzenstümpfen.
Mein weiches Haar:
Gemeng von Schlamm und Pflanzenwust in Sümpfen.

Der Sprache Licht:
Die Wühlmaus trägt ihr Nest in meine Kehle.
Ich stör' sie nicht. -
Ein weißer Strom gleißt auf von meiner Seele.

Er stürzt und eilt,
Des Grabes grüne Blume zu begießen
Und dreigeteilt
In große rote Reiche einzufließen.

Der Dreistrom sinkt.
Ich sickre flach und flüstre, da ich schwinde.
Mein Letztes trinkt
Ein Amselweibchen und die Pfeifenwinde.

 

            Eine Internetrecherche brachte nach und nach folgendes ans Licht. Das Gedicht wurde von der jüdischen Lyrikerin Gertrud Kolmar (Pseudonym für Gertrud Käthe Chodziesner (geboren 1894 in Berlin – gestorben 1943 in Auschwitz) im Winter 1927-1928 verfasst. Als Inspiration diente ihr wahrscheinlich dazu das Bilderalbum „Die preußischen Wappen“, welches von der Firma Kaffee-HAG herausgegeben worden war. In diesem Sammelalbum konnte man die auf den Packungen des Kaffees zu findenden preußischen Wappen sammeln und einkleben. Ihr Bruder Georg hatte eifrig die Wappen gesammelt. Für die preußische Provinz Westfalen gibt es noch Gedichte zu Ahlen und Bocholt. Die Gedichte über die preußischen Wappen erschienen 1934 im Band „Preußische Wappen“ im Rabenverlag. Der Rabenverlag wurde daraufhin auf die Liste unerwünschter Verlage des Deutschen Buchhandels gesetzt und boykottiert. Gertrud Kolmar durfte ab 1936 nur noch unter ihren wahren Nachnamen veröffentlichen. Ihr nächster Band wurde 1938 nach der Reichspogromnacht „verramscht“. Gertrud Kolmar wurde, nachdem sie Zwangsarbeit in der deutschen Rüstungsindustrie leisten musste, 1943 in Auschwitz ermordet. Sie zählt trotz ihrer wenigen Veröffentlichungen zu ihren Lebzeiten zu den wichtigsten deutschsprachigen Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts.

 

            Das Gedicht selbst besitzt inhaltlich wahrscheinlich keinen Bezug zu Beckum als Stadt. Dies verwundert nicht, war doch um 1927/1928 die ausführlichste Informationsquelle die 1924 zum 700-jährigen Stadtjubiläum vom Heimatverein erstellte Festschrift. Über deren Verbreitungsgrad drei Jahre nach dem Erscheinen kann nur gemutmaßt werden.

 

    Ingo Löppenberg

 

Weitere Informationen unter :

https://de.wikipedia.org/wiki/Gertrud_Kolmar

raldica.de/kaffee-hag-sammelalben-staedte-und-staatsheraldik/