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Newsletter 4
Vom Modellbauer zum Lastenflieger - 3.8.2022
Reinhold Kienzle wurde 1926 in Beckum geboren und kam 1932 in die Elisabethschule. Nach dem 8. Schuljahr bekam er eine Lehrstelle in der Schlosserei Beumer. Während seiner Schul- und Lehrzeit hatte er ein schönes Hobby, er war Mitglied der Segelflieger HJ und baute mit seinen Freunden Modellsegelflugzeuge im Keller des evangelischen Gemeindehauses. Das hat ihm immer sehr viel Freude gemacht, auch wenn die Modellsegelflieger bei den Mitgliedern der Motor HJ nicht sehr angesehen waren. Während seiner Lehrzeit machte er auf den Flugplätzen Borkenberge, Lippstadt und Schueren die Segelfliegerscheine A, B und C.
Nach seiner Gesellenprüfung im Januar 1943 wurde Reinhold Kienzle noch am selben Tag zusammen mit mehreren Beckumern zum Reichsarbeitsdienst auf einen Flugplatz hinter Osnabrück eingezogen. Nach 3 Monaten wurde er in verschiedene Einsatzorte nach Holland, Belgien und Frankreich geschickt. Da er 3 Flugscheine hatte, kam er schließlich nach Nimes, wo er eine Ausbildung zum Lastenseglerpilot machte.
Lastensegler waren damals sehr gefragt, denn sie flogen geräuschlos und tief, so dass sie vom feindlichen Radar nicht erfasst werden konnten. Sie wurden zunächst zu Versorgungszwecken der eigenen Truppen eingesetzt, später wurden auch Fallschirmjäger transportiert. Bis zu 17 Fallschirmspringer konnte Reinhold Kienzle mitnehmen, die dann im Morgengrauen in voller Montur hinter den feindlichen Linien abspringen konnten. Als Pilot musste er dann allerdings zusehen, dass er heile auf einem sicheren Platz landen konnte.
Reinhold Kienzle hatte seine ersten Einsätze im Mittelmeerraum. Gegen Ende des Krieges wurde der Flugplatz von gegnerischen Jagdbombern angegriffen. Splitterbomben und Brisanzbomben zerstörten 18 Ju 80 und Ju 108, die man zum Aufziehen der Lastensegler brauchte, die restlichen auf dem Flugplatz stehenden Flugzeuge und Segler wurden danach durch deutsche Pioniere zerstört. Das Fliegerregiment 63, dem Reinhold Kienzle als Lastensegler angehörte, wurde aufgelöst.
Reinhold Kienzle erinnert sich an viele weitere Begebenheiten aus der Kriegszeit. Nachzulesen sind seine Erinnerungen auf der neuen Website der Geschichtswerkstatt Beckum, die im Herbst 2022 geöffnet wird.
Lastensegler
Nach dem ersten Weltkrieg war der Motorflug in Deutschland von den Siegermächten verboten worden. Da der Segelflug aber erlaubt war, entwickelten deutsche Ingenieure einen Flieger aus Stahlrohr, Holz und Stoff, der ursprünglich Post befördern sollte. Das Deutsche Forschungsinstitut für Segelflug (DFS) in Darmstadt-Griesheim baute diese Prototypen weiter aus und das Militär im zweiten Weltkrieg nutzte letztendlich diese Lastensegler für militärischen Lufttransport, vor allem für den Einsatz von Fallschirmjägern.
Die ersten Lastensegler konnten bis zu 1257 kg Zuladung tragen, die Fluggeschwindigkeit betrug 250 – 360 km/h. Die Segler wurden von Junkers und Messerschmidt Schleppflugzeugen an 40m langen Stahlseilen hochgezogen. Lautlos konnten sie nach Ablösung über Feindesland gleiten und Versorgungspakete für die eigenen Truppen abwerfen oder sie setzten Fallschirmjäger ab, die ausgerüstet mit Gewehren sofort kampfbereit waren.
Zum ersten Mal wurden Lastensegler am 10. Mai 1940 bei der Eroberung der belgischen Festung Eben Emael eingesetzt. Für die Flugzeugführer von Lastenseglern bestand jeder Zeit die Gefahr, keine passende Landefläche zu finden, schwere Unfälle und Tod waren keine Seltenheit.
Amerika, Großbritannien und die Sowjetunion hatten während des Krieges ebenfalls unterschiedliche Typen von Lastenseglern entwickelt, die aber nach dem Krieg an Bedeutung verloren. Einige Segler waren so groß und schwer gebaut worden, dass sie mit 3 Schleppflugzeugen hochgezogen werden mussten. Lastensegler wurden von deutscher Seite nach dem 2. Krieg nicht mehr genutzt, sie wurden durch Hubschrauber ersetzt.
https://de.wikipedia.org/wiki/lastensegler
https://www.ju52-halle.de/de/exponate/lastensegler-dfs-230